Gewaltiger Erfolg bei der Photovoltaik durch 20 Jahre EEG
20 Jahre EEG. Das ist für viele ein Grund zum Feiern, für die Gegner ein Grund zum Fluchen. Egal, wie die jeweilige Einschätzung des EEGs aussieht: Der Erfolg des EEGs ist bei der Photovoltaik ist gewaltig und wird die Welt für immer zum Guten verändern: Solarstrom ist bereits jetzt die billigste Energiequelle der Welt und massenverfügbar.
Gemeinsamer Blog mit Carsten Pfeiffer, der vor 20 Jahren im Abgeordnetenbüro Hans-Josef Fell MdB an der Entstehung des EEG aktiv beteiligt war und heute Leiter Strategie und Politik des BNE ist.
Feuerwerk des EEG Erfolgs: Deutschland hat der Welt die Photovoltaik gebracht
EINS Aus einem „Abfallempfänger“ der globalen Chipindustrie ist eine eigene, starke Solar- Silizium- Produktion geworden, bei der das deutsche Unternehmen Wacker noch immer die Nummer zwei der Welt ist.
ZWEI Ein Standardmodul/ „Arbeitspferd“ hatte im Jahr 2000 130 Wp/qm (beste Werte), im Jahr 2020 sind wir bei 200 Wp/qm – dabei stieg die Leistung pro Moduleinheit von rund 80W auf 320Wp. Es gibt sogar schon – von der Fläche etwas größere- Spitzenmodule mit 500 Wp auf dem Markt.
DREI Die Wechselrichtereffizienz hat sich von 80% auf 99% erhört, somit ist der Ertrag pro kWp um mehr als 20% gestiegen.
VIER Durch die Weiterentwicklung der Leistungselektronik in den Anlagen ist es heute möglich, auch Anlagen mit Verschattungen z.B. im Winterhalbjahr aktiv zu planen. Dies führt zu einer zwei- bis zuweilen dreifachen Flächeneffizienz bei Freiland- oder Flachdachanlagen verglichen mit dem Stand von vor 20 Jahren.
FÜNF Die Kosten pro kWp Leistung einer PV- Anlage sind von über12.000 Euro Ende der neunziger Jahre auf „ab 500 Euro/kWp in großen Megawattanlagen“ gefallen.
SECHS Die Preise pro kWh Solarstrom fielen von über50 Cent/kWh für die im Jahr 2000 alle kleinen Anlagen auf Einstiegspreise in Megawattanlagen von 1,5 Cent/kWh (Dubai) und unter 4 Cent/kWh in Deutschland gefallen.
SIEBEN Der Weltmarkt ist aufgrund des deutschen. EEGs von ca. 500 MW im Jahr 2000 auf über 123 GW in 2019 gestiegen. Die Produktionskapazitäten werden weiterhin massiv ausgebaut, so dass wir in 2021 schon bei über 200 GW „state of the Art“ Produktionskapazitäten liegen werden. Auch 500 GW Zubau/Jahr sind in diesem Jahrzehnt zu erwarten, das wäre dann das Tausendfache des Zubaus des Jahres 2000.
ACHT Dank der von Deutschland billig gekauften Photovoltaik haben bereits jetzt über 100 Millionen Menschen erstmals bezahlbaren und verlässlichen Zugang zu Elektrizität. Die Lebensumstände dieser Menschen verbessern sich dadurch erheblich und der Ausbau der dezentralen Solaranla-gen beschleunigt sich weiter.
Aus 100 Megawatt werden 10.000 bei niedrigsten Kosten
Die max. 100 MWp, die am 1.1.2021 aus der EEG- Vergütung fallen , schaffen in der Umlage den Raum für bis zu 10 GW an neuen Freilandanlagen (gleitende Marktprämie) – wenn das kein großer Erfolg eines Gesetzes ist. Solarstrom aus Photovoltaikfreiflächenanlagen kostet deutlich weniger als Strom aus KWK-Anlagen, was jüngst Berechnungen des bne gezeigt haben. Strom aus neuen Kernkraftwerken kostet ein Vielfaches, wie man in Großbritannien oder Frankreich sehen kann.
Da Solarstrom inzwischen deutlich günstiger ist als Kohlestrom, werden in einigen Ländern die Kohlekraftwerksausbaupläne reduziert, bestehende Kohlekraftwerke laufen seltener. In einigen Ländern werden bereits überhaupt keine Kohlekraftwerke mehr zugebaut, da sie sich nicht mehr rechnen. Solarstrom entwickelt sich damit zu der wichtigsten Klimaschutztechnologie überhaupt.
Der Erfolg fiel keineswegs vom Himmel, er war hart umkämpft, vor allem aber beruhte er auf wichtigen strategischen Annahmen, aus denen sich einiges lernen lässt.
Lessons learned statt EEG-Nostalgie – Was waren die entscheidenden Grundlagen für den Erfolg, aus denen sich lernen lässt?
Die Ausgangslage für Erneuerbare Energien war im Jahr 1999 denkbar schlecht. Der noch unter der Regierung Kohl frisch geschaffene Energiemarkt bot keine Anreize für Erneuerbare Energien. Eine Internalisierung der CO2-Kosten gab es nicht, nicht einmal einen schwachen Emissionshandel. Das Stromeinspeisungsgesetz war doppelt gedeckelt und der für das Stromeinspeisungsgesetz zuständige neue Wirtschaftsminister Werner Müller hielt wie sein Ministerium nichts von der Energiewende und Erneuerbaren Energien. Letztere waren zudem vergleichsweise teuer, was insbesondere für die Photovoltaik zutraf, deren Kosten damals bei über 80 Cent lagen. Die hohen Kosten wurden auch von vielen Wirtschaftspolitikern der SPD kritisch beäugt, welche wiederum zum Teil Freunde der Kohle waren.
Wie es gelang, trotz dieser schwierigen Ausgangslage ein funktionierendes EEG zu entwerfen und politisch umzusetzen, ist eine spannende Geschichte für sich.
An dieser Stelle soll lediglich herausgestellt werden, dass es aus Sicht der Erneuerbaren-Freunde in den damaligen Regierungsfraktionen SPD und Grüne entscheidend war, technologiespezifische Märkte zu schaffen, die eine Massenproduktion anregen sollten, um eine Kostenspirale nach unten zu bewirken. Das bis dahin geltende Stromeinspeisungsgesetz hatte zuvor bereits bei der Windenergie eine solche Dynamik entfaltet, welche fortgesetzt werden sollte.
Die strategische Überlegung war einfach: Über einen ausreichend großen Markt sollte eine größere Nachfrage geschaffen werden; diese wiederum sollte Investitionen in neue oder größere Fabriken anreizen, in denen kostengünstiger Strom erzeugt werden kann. Wachsende, schrittweise größere Unternehmen sollten mehr Geld für Forschung und Entwicklung nehmen und gemeinsam mit Forschungseinrichtungen die technologische Entwicklung voran treiben. Es lag auf der Hand, dass die Vergütungen technologiespezifisch sein müssten, sonst würde niemand in die teuersten Technologien investieren. Der Begriff „technologiespezifisch“ trifft die damaligen Überlegungen und Umsetzung im EEG nicht ganz korrekt. Die Abgrenzung verlief vielmehr entlang der Energieformen. Windenergie, Solarenergie, Wasserkraft, Bioenergie, Geothermie und als Zugeständnis an die Kohlefreunde in der SPD, das Grubengas. Innerhalb dieser abgegrenzten Energieformen war die Vergütung je-weils technologieneutral. Im Falle der Solarenergie lässt sich das leicht darstellen. Vergütet wurde Strom aus Solarenergieanlagen, unabhängig davon, ob Photovoltaikanlagen oder Anlagen mit solarthermischer Stromerzeugung. Und der Gesetzgeber sah auch absichtlich davon ab, welche spezifische Technologien zu fördern. D.h. die konventionelle Siliziumtechnologie bekam genauso viel Vergütung wie die damals von vielen favorisierte Dünnschichttechnologie. Auch bei der Windenergie spielte es keine Rolle, ob vertikal oder horizontal, ob drei Flügel, zwei oder nur einer. Die beste Technologie sollte sich am Markt durchsetzen. Aber in jeder Energieform der Erneuerbaren Energien sollte es einen eigenen harten Wettbewerb geben. Der Gedanke, dass die Erneuerbaren Energien gegeneinander antreten sollten, war den Autoren damals fremd. Mehr noch. Ihnen war klar, dass es grundverkehrt wäre, die aktuellen Kosten der jeweiligen Erneuerbaren Energien als Ausgangspunkt zu nehmen. Deutlich wichtiger war es, die Kostensenkungspotenziale zu heben.
Anders ausgedrückt: Die Kosteneffizient wurde nicht wie so oft statisch betrachtet, sondern dynamisch. Das wurde damals und in den Folgejahren immer wieder von Apologeten der statischen Effizienz scharf kritisiert. Im Extremfall wurde das ganze EEG als kostenineffizient abgelehnt und darauf verwiesen, man solle mit dem Geld besser Häuser dämmen, was wiederum mit Styropor am kostengünstigsten ist. Diesen extremen statischen Ansatz einer Kosteneffizienz könnte man polemisch als Styroporisierung der Strategie bezeich-nen bzw. als Anti-Innovationsstrategie. Vergleichbares kann man heute sehen, wenn die Kosten von Autos mit Verbrennungsmotoren mit Elektroautos verglichen werden, obwohl eigentlich völlig klar ist, dass in einigen Jahren Elektroautos deutlich kostengünstiger als Verbrenner sein werden. Unter Innovationsgesichts-punkten greift auch die Kritik an der Förderung von Elektroautos zurück, wonach davon vor al-lem Wohlhabendere profitieren. Durch Innovationen und Skaleneffekte werden auch hier wie bei der Photovoltaik oder dem Mobilphone Kostensenkungen angereizt, die später vielen zu Gute kommen.
Aber zurück zur damaligen Ausgangslage: Kostensenkung und Innovation waren zentrale Ziel der damaligen Gesetzgeber. Damit lag aber auch auf der Hand, dass das EEG selbst dynamische Ele-mente beinhalten muss, damit die erwartete Kostensenkung abgebildet werden kann. Hierzu wurden zwei Korrekturmechanismen geschaffen. Zum einen sollte alle paar Jahre im Rahmen einer Evaluation die Kosten der Technologien erfasst und die Vergütungen angepasst werden. Damit in der Zwischenzeit Kosten und Vergütungen nicht zu weit auseinander laufen, wurden auf Vorschlag der Grünen – jährliche Degressionsraten eingeführt; d.h. Prozentsätze, um die die Vergütungen bei den einzelnen Erneuerbaren Energien jährlich reduziert werden. Damit sollte also die erwartete Lernkurve grob vorweggenommen werden. Diese jährlichen Reduktionen hatten einen beabsichtigten positiven Nebeneffekt. Ohne diese Degression hätten die Käufer immer einen Anreiz gehabt, mit ihrer Investition zu warten, bis die Technologie günstiger wird. Gerade bei der Photovoltaik mit ihrer erwarteten steilen Kosten-kurve hätte dies aber dazu geführt, dass die Investition immer wieder aufgeschoben würde. Mit der jährlichen Degression in Höhe von 5% wurde dieser Attentismus erfolgreich durchbrochen. Es wurde deutlich schneller investiert, als die damaligen Autoren gedacht hatten. Der Weg zur Massenproduktion war frei gemacht.
Kostensenkungen ohne Ende: Jahre später verlief die Kostensenkung bei der Photovoltaik bei gleichzeitig fallenden Zinssätzen so schnell, dass die Renditen nach oben schnellten. Die Installationszahlen gingen steil nach oben und damit auch die Kosten für die EEG-Umlage, da die Kosten je KW zwar schnell fielen, aber im Vergleich zum Börsenpreis immer noch sehr hoch waren. Dies konnte über eine markt-orientierte flexible Degression (sog. „atmender Deckel“) aufgefangen werden, der von den Grü-nen in der Opposition entwickelt worden war. Politische Fehler in Kombination mit einer unge-schickten Lobbypolitik führten aber dazu, dass die regulatorischen Anpassungen mit zeitlichen Verzögerungen verliefen. Die daraus resultierenden Kosten bei der EEG-Umlage wurden von den politischen Gegnern des EEGs im Allgemeinen und der Photovoltaik im Besonderen zum Anlass genommen, die Vergütung soweit zu reduzieren, bis die Nachfrage zusammenbrach.
Doch die Kostensenkung bei der Photovoltaik ging weiter, da inzwischen andere Auslandsmärkte die Rolle des deutschen Marktes übernommen haben. Die Dynamik geht weiter. Die Kosten sinken und sinken, neue globale Absatzmärkte entstehen und heizen die Nachfrage und die Produktion an. In Deutschland sind Photovoltaik-Anlagen im multi-100-MW-Bereich in der Entwick-lung, deren Strom ohne EEG-Zahlungen verkauft wird. Die Kosten liegen deutlich unterhalb der staatlich auf 10 MW reduzierten Anlagen, die damit künstlich teuer gehalten werden. Bei Dach-anlagen spielt der Eigenverbrauch eine immer größere Rolle. Die Erfolgsgeschichte geht weiter, in Deutschland und immer mehr anderen Ländern, in denen die Photovoltaik zur kostengünstigsten Form der Stromerzeugung wird. Dadurch hat der Klimaschutz eine Chance, die er ohne das EEG mit seinen induzierten Innovationen und Kostensenkungen in dem erforderlichen Zeitraum nie gehabt hätte. Parallel finden andere Entwicklungen statt, darunter die Kostensenkungen bei der Batterie, welche in Kombination mit der Photovoltaik wieder neue Absatzmärkte eröffnen. Das Ende der Innovationsspirale ist noch lange nicht erreicht.
Berlin, 1.April 2020 Carsten Pfeiffer Karl- Heinz Remmers
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