Der „Strompreishorror“ und der „Markt“ – wie geht es nach der Wahl weiter?

Wer einen an die Strom-Börsenpreise gekoppelten Stromtarif hat, erlebt es seit einigen Monaten live: Die Strompreise an der Börse erklimmen immer neue Rekordhöhen. Der „Strompreishorror“ geht um – getrieben vom „Markt“. Offenbar wegen des Wahlkampfs aber ist es um das Thema noch immer erstaunlich ruhig. Dabei gibt es sehr wohl die Chance, das Preisniveau mit einem kräftigen Ausbau der erneuerbaren Energien samt Speichern und Infrastruktur mittel- und langfristig klimaschonend wieder zu senken.

„Der Markt regelt das“, dieses Mantra einiger gesellschaftlicher Akteure ist allen altbekannt. Also auch, dass der Markt den Klimaschutz regelt. Mittel der Wahl schon vor langer Zeit im Strombereich: die Ausgabe von CO2-Zertifikaten auf EU-Ebene und deren (Börsen-)Handel. Ein wichtiges Problem dieses Marktes ist noch immer, dass es viele frei zugeteilte Zertifikate gibt. Und so war der CO2-Preis verglichen mit den aus der Wissenschaft kolportierten Schäden lange Zeit ein totaler Witz. Mit ersten Anpassungen hat sich das geändert, und mit nun über 60 Euro pro Tonne CO2 sieht man die Effekte auf die fossile Stromerzeugung immer deutlicher: Deren Gesamtpreis steigt.

Zum Markt gehört derzeit auch, dass das Gas historisch teuer ist. Somit werden Gaskraftwerke schnell über variable Kosten von zwölf Cent pro Kilowattstunde getrieben und die Marktpreise im deutschen Börsenbereich an vielen Tagen schon über zehn Cent pro Kilowattstunde. In England gab es vergangene Woche sogar Preisspitzen von über 450 Pfund pro Megawattstunde (52 Cent pro Kilowattstunde) – wohlgemerkt nicht für Regelenergie.

All das führt zu massiven Sorgen um die Entwicklung der Strompreise, diesmal vor allem für alle, die eben keine oder nur eine geringe EEG-Umlage zahlen und von einer marktbedingten Senkung der Umlage nicht profitieren werden. Die Entwicklung wird schon sehr bald extrem werden, sollten die Preise nicht einfach wieder sinken oder die kostengünstigeren erneuerbaren Energien schnell ausgebaut werden.

Schon jetzt können Solar- und Windenergie in Deutschland, gekoppelt mit einem Speicher zur Zeitverschiebung im Tagesbereich, unterhalb dieses Niveaus eine nach Zeitplan abrufbare Energieversorgung darstellen- in Kürze auch während sogenannter Dunkelflauten.

Und jetzt höre ich mal mit dieser Seite der Medaille auf.

Schon zu Beginn meiner Tätigkeit als Solarunternehmer vor bald 30 Jahren war klar, dass endliche Rohstoffe irgendwann sehr teuer werden müssen. Und ja: Es war auch klar, dass Verschmutzung vermieden oder bezahlt werden muss, egal um welche Art der Verschmutzung es sich handelt. Das wurde oft beschrieben, und jetzt erreichen wir diesen Punkt langsam auf dem „freien Markt“ (der keiner ist). Denn die Wissenschaft sagt uns, dass 60 Euro pro Tonne CO2 lange nicht ausreichen, um die CO2-induzierten Schäden auszugleichen.

Was ich sehr spannend finde: Wenn wir mit erneuerbaren Energien schon bei dieser Schwelle eine „all electric“-Welt auch für die anderen Sektoren aufbauen können, ist die Energiewende ja eventuell deutlich unterhalb der meist über 180 Euro pro Tonne CO2 liegenden Werte machbar. Das ist jedoch ein weites Feld, und die Diskussion in allen Sektoren im Detail zu führen ist komplex.

Es ist aber ein Ansatz und gleichzeitig der Beweis dafür, dass es richtig war, unter Rot-Grün im Jahr 2000 mit dem EEG den Grundstein dafür zu legen, dass Erneuerbare nun billig und massenverfügbar sind. Erstaunlich, dass dies die beiden Parteien im aktuellen Wahlkampf nicht klar zum Ausdruck bringen. Schelte für die EEG-Umlage bekommen sie ohnehin, versäumen es aber, den Menschen zu sagen, dass die Idee funktioniert hat und nun die nächsten Schritte kommen müssen, etwa sozialer Ausgleich und Sicherung des Wirtschaftsstandorts. Diese Schritte können aber auch kommen, denn teure fossile Rohstoffe und Verschmutzungskosten haben eine entwickelte und sofort massenhaft einsetzbare Alternative. Jetzt und heute.

Über weitere Fakten und wichtige Entwicklungen im Bereich der innovativen Energiewirtschaft sprechen wir „live und in Farbe“ am 22./23.9.2021 beim „Forum Neue Energiewelt“ – wie 2020 outdoor in Berlin. Mehr dazu finden Sie hier: https://www.forum-neue-energiewelt.de/

Wie geht das mit dem „Strompreishorror“ nun nach der Wahl weiter?

Erstmal seit langem wird im Oktober 2021 ziemlich sicher nicht die EEG-Umlage für den seit Jahren üblichen politischen Hexentanz sorgen. Denn die EEG-Umlage dürfte unter den politischen Zielwert fallen. 2021 ist es der Marktpreis, der gegebenenfalls allergische Reaktionen auslöst. Die Politik steht vor dem Dilemma, dass man mit dem langjährigen Ruf „das EEG muss weg“ weder etwas gegen hohe Brennstoffpreise tun kann noch gegen den von fast allen Parteien als Königsweg gepriesenen CO2-Preis. Denn der ist ja eigentlich noch immer zu niedrig. Eigentlich– und so kommt hoffentlich zeitnah die Erkenntnis, dass ein schneller Ausbau von Photovoltaik, Wind und Speichern bei gleichzeitiger Digitalisierung und Anpassung der Netze der eigentliche Königsweg ist.

Für mehr aktuelle Infos und Meinungen: abonnieren Sie meinen Newsletter!

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Allgemein

3 Kommentare

  1. Alles richtig Karl-Heinz. Genau über das haben wir schon beim 1. PV-Symposion in Bad Staffelstein beim abendlichen Umdrunk im Gewölbekeller diskutiert.

    Ich kann die allabendlichen Lügenmärchen, egal auf welchem TV-Kanal und in welcher Talk-Show und von welchem politischen Parteivertreter/in nicht mehr hören! Die Grünen verkaufen sich einfach unter Preis. Die schlimmste Entwicklung in den Umfragen ist für mich der augenblickliche Stimmenzuwachs der FDP. Hierdruch besteht die Gefahr, dass die „Grünen“ sich wieder in der Opposition finden könnten, (gleiche Regierungskonstellation mit Spd Kanzler und gelben Mehrheitsbeschaffern) und ein „Umlenken“ in der Energiepolitik wird um weitere vier Jahre verschlafen bzw. in eine falsche Richtung gelenkt. Dies würde vermutlich bedeuten, dass in der nächsten Legislaturperiode der Ausbau von Photovoltaik, Wind und Biogas von Privatinvestoren und Bürgerbeteiligungsanlagen, durch noch verschärftere und weitere Auflagen, zum erliegen kommt. Verlieren wir doch schon heute mit dem Bürokratismus und den Auflagen bis zur Baugenhemigung eines Wind- oder Solarparks viel zu viel Zeit um einen schnellen Ausbau zu realisieren. Hinzu kommt die schneckenhafte Bearbeitung von der Netzanfrage bis hin zur Inbetriebnahme durch die Netzbetreiber. Dies kann heute schon bis zu 16 Monaten bei dem einen oder anderen Netzbetreiber bei einer 300 KWp Anlagen dauern. Das kann doch alles nicht mehr wahr sein. Mittlerweile empfehlen einige Netzbetreiber Ihren Antragstellern erst nach Vorlage eines Anlagenzertifikates mit dem Bau der PV-Anlage zu beginnen. Dadurch könnten Sie eine zügige Inbetriebnahme gewährleisten. Auch die unterschiedliche Interpretation der DIN 4110, durch die unterschiedlichsten Netzbetreiber, bzw. deren hauseigenen TAB (mit Herstellervorgaben bzw. -diskriminierung), kann kein Mensch mehr überblicken. Es wird Zeit, dass wir endweder alle mit unseren Kunden zusammen auf die Straße gehen oder unsere Kunden mit Bestandsanlagen dazu auffordern, alle Ihre PV- oder Windkraftanlagen am Tag X zur Stunde Y für eine Stunde auszuschalten. Ich bin der festen Überzeugung, dass dies im Januar oder Februar nächsten Jahres zum Erfolg und unsere Politiker zum Umdenken führen könnte. Warum sollten Betreiber von PV-, Windparks und Biogasanlagen nicht auch ein Streikrecht haben und der Politik und den Lobyisten zeigen, wer den grünen Strom produziert. Warum sollten wir, unsere Kunden und zukünftigen Kunden, das lukrative Stromgeschäft den Konzernen überlassen. Für unsere Kleinkunden, Einzelinvestoren und Bürgerbeteiligungskunden dienen doch schon heute die Erträge aus den Anlagen zur Alterssicherung. Dies könnte für die gesamte Arbeiterklasse die sicherste Rente aller Zeiten werden. Strom kann jeder machen! Für manchen mag das etwas aggressiv klingen aber die Höhe der Rente von den meisten Arbeitnehmern aus den geburtenstarken Jahrgängen von 1958 – 1968, mit Riesterbetrugsanteil, nach vierzig oder mehr harten Arbeitsjahren, spiegelt die derzeitige Unzufriedenheit nicht nur in diesem Teil der Bevölkerung, sondern auch bei den jüngeren Generationen wieder.
    Wir müssen dringend mehr Öffentlichkeitsarbeit und mehr Leute mobilisieren.

    Joachim Engelhardt von Energiepark GmbH&Co. KG

    1. Kurze Anmerkung zum Kommentar:

      Einfach ausschalten geht nicht- wir haben Verantwortung für das Funktionieren des Systems.

      Und schneller werden bei der Umsetzung der Energiewende bedeutet in der Tat das Regeln auch dazu passen müssen.

  2. Alles richtig – Danke, vermisse jedoch den Blick über den Tellerrand.
    Und die Datenbestände zeigen es, in welchen Ländern der CO2 Footprint massiv sinkt. Nehmen wir Dänemark. 2013 der klare Stopp für fossile Heizungen im Neubau (geht). 2015 dann im Bestand. Und viele weiter Maßnahmen wie: je mehr PV auf dem Industriedach desto mehr Förderung etc. etc. Doch was bedeutet das gesetzliche AUS (nicht die Reduktion) für Fossiles ? Eine Alternative wird von ALLEN gewählt und nicht diskutiert, diskutiert, diskutiert . Und welche Alternative? Die Günstigste – die EE. Und wie schnell geht das? So schnell, dass sich ein Footprint in 9 Jahren dort halbiert. DK wahr mal auf Augenhöhe mit uns. Ob DK schon bei 0,5 t bis 2030 angekommen sein wird? Da reden wir dann immer noch von dem „Richtigen Preis für CO2“ und vergessen dabei das Methan, das deutlich schlimmer ist. In der Folge kommt es bei uns zu GAS-Heizungen- riesigen Industrie BHKWs (BMW, VW, MAN, Infineon, BAYER, WACKER etc. etc.)
    NEIN, wir sollten endlich unsere falschen Stolz ablegen, den wir gerade hier nicht mehr rechtfertigen können. So wie sich damals vor 15 Jahren vielen Nationen nach dem EEG orientiert haben, ist es nun für uns an der Zeit uns an Ländern zu orientieren deren THG massiv sinken und es ihnen gleich zu tun – Ausreden gelten jetzt nicht mehr.

    Ps. wie wäre es mit einer Artikel-Serie – Glorreiche THG-Senkungs-Nationen und ihre öffentlichen Geheimnisse? (besonders jene, die in der EU, unter diesen rechtlichen Rahmen agieren).
    Brauche wir nicht eine permanente Olympiade, die uns zeigt wer die meisten THG-Medalien holt. Wer hat die besten Industrie- und Politikathleten? Wer steht jedes Jahr auf dem Treppchen, bei diesem Rennen um die Zeit und wer gehört zu den Schlusslichtern.
    . WOLRD THG GAMES for life.

Schreibe einen Kommentar zu admin Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert